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Fichtenblattwespe

Die Kleine Fichtenblattwespe (pristiphora abietina [christ.])

 

Familie: Echte Blattwespen

Merkmale: 5-6mm lange, gelblich- schwarze Wespe
Überwinterung: im Boden in dichtem Kokon
Schlüpfzeitpunkt: Ende April/ Anfang Mai
Dauer des Schwärmfluges mit Eiablage: ca. 3 Wochen
Nahrungspflanze: Fichte
Fraßbild: Maitrieb verfärbt sich rötlich-braun

Die hauptsächlich im Mai schwärmende Wespe befällt vornehmlich 20- bis 60jährige, vielfach auch ältere, lichtstehende Fichten, besonders in sonnseitigen und windgeschützten Lagen. Das Weibchen legt die Eier an die eben im Strecken begriffenen Maitriebe in den obersten Teilen der Krone, und zwar je Nadel 1 Ei in einen taschenförmigen Schlitz längs einer Außenkante. Die wenige Tage später schlüpfenden Afterraupen leben getrennt, halten bei Beunruhigung ihr Hinterende S-förmig gekrümmt in die Höhe, wobei sie einen wanzenartigen Geruch verbreiten, und fressen ausschließlich, mit dem Kopf langsam hin- und herpendelnd, an den jungen Maitriebnadeln, die infolgedessen umknicken und sich röten, wodurch die Gipfeltriebe von weitem wie erfroren aussehen. Nach nur 2 bis 3 Wochen Fraßzeit, Ende Mai - Juni, läßt sich die erwachsene Afterraupe zu Boden fallen, spinnt sich einige Zentimeter tief im Boden in einen Kokon ein, in welchem sie unverpuppt überwintert, und verwandelt sich im nächsten April, worauf Anfang Mai, nachdem sie einen runden Deckel aus dem Kokon geschnitten hat, die Wespe schlüpft. - Generation einjährig, doch kann die Afterraupe auch mehrere Jahre überliegen. Fraßfolgen sind außer Zuwachsverlust Wipfelmißbildungen und Wipfeldürre, schließlich sogar allmähliches Absterben anhaltend stark befallener Fichten. (Aus: AMANN, Gottfried (1976): Kerfe des WaldesAMANN)

Die Weibchen der Kleinen Fichtenblattwespe legen ihre Eier in die Nadeln junger Fichtentriebe eines ganz bestimmten Austriebstadiums. Sie ritzen dabei die Nadel mit einem Sägefortsatz an (daher auch der Name: Pristiphora = die Säge-Tragende). In die so entstehende Eitasche wird je ein Ei gelegt. Insgesamt legt ein Weibchen ca. 100 Eier. Eine Besonderheit besteht darin, daß sich auch unbefruchtete Eier entwickeln, hieraus aber ausschließlich männliche Larven entstehen. Nach kurzer Eiphase schlüpfen bereits Anfang Mai die ersten Larven. Die kräftig grün gefärbten Raupen fressen ausschließlich die Nadeln der jungen Maitriebe. Die Nadelreste verfärben sich und verleihen den Fichten bei fortgeschrittenem Fraß eine charakteristische Rotfärbung. Nach etwa drei bis vier Wochen sind die Larven von anfangs 2 mm auf 12 bis 15 mm herangewachsen und abbaumbereit. Sie lassen sich zu Boden fallen, verkriechen sich in der Bodenstreu und spinnen sich in ca. 3 - 5 cm Tiefe in einen rot-braunen, festen Kokon ein. Hier überdauern sie den Winter. Aus einem Großteil der Kokons schlüpfen im darauffolgenden Frühjahr die Blattwespen. Ein Teil der Kokons jedoch verbleibt im Boden, die Blattwespen schlüpfen erst ein oder mehrere Jahre später (sogenanntes Überliegen). Dies macht eine wirkungsvolle Bekämpfung äußerst schwierig. Die Kleine Fichtenblattwespe kann ihre Eier nur in Nadeln eines ganz bestimmten Austriebstadiums (gerade abgesprengte Knospenschuppe, noch nicht abgespreizte Nadeln) ablegen. Daher ist die Blattwespe auf ein exaktes zeitliches Zusammentreffen (Koinzidenz) von Schwärmzeit und Fichtenaustrieb angewiesen.

Gelegentlich sieht man völlig unbefressene Fichten neben stark befressenen. Die Erklärung liegt im uneinheitlichen Austriebsverhalten der Fichten: Sind in einer Befallsfläche einzelne Fichten zur Flugzeit der Blattwespen bereits zu weit oder aber noch nicht weit genug ausgetrieben, so bleiben sie vom Fraß verschont, weil an ihnen keine Eier abgelegt werden können. Natürliche Feinde der Kleinen Fichtenblattwespe sind vor allem Vögel, Ameisen und parasitische Schlupfwespen.

Wie sich bei den Untersuchungen zeigte, ist eine Vogelansiedlung mit Hilfe von Nistkästen selbst in sonnenarmen Fichtenbeständen möglich. Da die Kleine Fichtenblattwespe aber nur während einer kurzen Zeit im Jahr und dann in großen Massen auftritt, können Vögel ihre Dichte nicht auf ein forstlich unbedeutendes Maß zurückdrängen. Für eine Ameisenansiedlung sind die in der Regel dicht geschlossenen und sonnenarmen Fichtenjungbestände ungeeignet. Im übrigen gilt für Ameisen die gleiche Problematik wie für Vögel. Die Dichte von Schlupfwespen, die Blattwespenlarven bzw. -kokons parasitieren, ist in chronischen Fraßflächen von Natur aus schon sehr hoch und kann künstlich kaum noch gesteigert werden. Durch eine Auflichtung der Bestände und der Entwicklung einer Krautschicht kann zwar die Artenvielfalt der Parasiten gefördert werden, nicht aber der Parasitierungsgrad. Wegen der massenhaften Vermehrung der Blattwespe bei günstigen Bedingungen (passendes Mikroklima, Koinzidenz von Austrieb und Blattwespenschlupf) sind die Parasiten kein zuverlässiger Regulationsfaktor.

Insgesamt ist also auf chronischen Fraßflächen selbst bei gezielter Förderung der natürlichen Feinde kein nennenswerter Rückgang der Befallsintensität zu erreichen.

Bekämpfung mit dem Häutungshemmer Alsystin:
Eine wirkungsvolle Bekämpfung muß wenige Tage vor dem Schlüpfen der Weibchen erfolgen, so daß der günstigste Bekämpfungszeitraum eng begrenzt ist (SKATULLA, 1989). Um diesen Zeitpunkt möglichst exakt zu bestimmen, sind Dauerbeobachtungen mit Photoeklektoren nötig. Das heißt, daß eine gezielte Alsystin-Ausbringung einen sehr hohen personellen und untersuchungs-technischen Aufwand erfordert. Da ein gewisser Teil der überwinternden Kokons ein oder mehrere Jahre im Boden überliegt, bringt eine einmalige Bekämpfung nur eine vorübergehende Entlastung der Situation. Auch bei weiteren Bekämpfungen im Folgejahr trat bereits vier Jahre nach der letzten Bekämpfung wieder ein mäßiger Fraßschaden auf. Bekämpfungen müssen also mindestens in zwei aufeinanderfolgenden Jahren durchgeführt und regelmäßig in Abständen ( ca. 5-8 Jahre ) wiederholt werden. Dieses Vorgehen ist aus ökologischer Sicht kritisch zu werten.

 

Die Fichte (picea abies)

Die Fichte ist ein Baum der montanen bis subalpinen Höhenstufe (600 – 1800 Meter Seehöhe). 600 mm Jahresniederschlag sind der Grenzwert für das natürliche Fichtenvorkommen in Mitteleuropa, unter diesem Wert kann sie nicht wachsen. 600 – 2000 mm Jahresniederschlag sind Klimagrenzwerte, wobei in der Vegetationsperiode (April bis September) 500 – 800 mm fallen müssen. Primär ist das Verbreitungsgebiet der Fichte also durch die Wasserversorgung in der Vegetationszeit begrenzt. Laubmischwälder sind besser an niedrige Niederschlagsmengen in der Vegetationszeit angepaßt. Die Fichte ist sowohl Humus- als auch Rohbodenkeimer. Die Fichte baut nur im kontinentalen – subalpinen Arealzentrum natürliche Reinbestände auf (sub-alpiner Fichtenwald). Im montanen Wuchsoptimum ist Fichte eine vitale und gesunde Mischbaumart (montaner Fi–Ta–Bu–Wald). Im ökologischen Optimum werden kontinentale Trockenstandorte gemieden (subalpiner Fichtenwald), nicht aber im niederschlagsreichen Wuchsoptimum (montaner Fi–Ta–Bu–Wald), wo Fichte in Kiefernwälder eindringt.

Wie ist nun das obere Innviertel in Hinblick auf die Ökologie der Fichte einzuordnen:

Die Fichte kommt in Oberösterreich natürlich beigemischt im Fi-Ta-Bu-Wald der Randalpen und rein im subalpinen Fichtenwald vor. Der obere Weilhart befindet sich somit weit außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes (ökologisches Optimum) der Fichte. Die natürliche Waldgesellschaft im oberen Innviertel sind der Buchen-Mischwald und der Eichen-Hainbuchen-Wald.

Der jetzt im Oberen Innviertel vorherrschende Fichtenanteil ist somit künstlich durch menschliche Eingriffe verursacht worden. Dieser Umstand und die Tatsache, daß die Fichte im Oberen Innviertel meist in Nadelreinbeständen vorkommt, sind für die erhöhte Streßsituation, der die Fichte hier ausgesetzt ist, verantwortlich.

Verschärft wird diese Situation durch

  • die Monokulturen
  • die ungünstige Bodenbildungsdynamik des auftretenden Ausgangsgesteins
  • die teilweise vorhandenen Altlasten der Streunutzung
  • die in den letzten Jahren zugenommene Belastung durch Immissionen und
  • die zunehmenden Gradationen der Kleinen Fichtenblattwespe

 

Unter dieser Betrachtung stellt sich somit nicht die Kleine Fichtenblattwespe, sondern vielmehr der übernatürlich hohe Fichtenanteil unserer Wälder als das eigentliche Problem heraus.
"In standortswidrigen Fichtenmonokulturen warmer Tieflagen führt der Fraß der Fichtenblattwespe an Maitrieben zu Wipfeldürre. Umbau in laubbaumreichere, krisensichere Fichtenbestände ist nicht zu umgehen."
(Zitat Prof. Dr. Hannes Mayer)

Diese Feststellungen sind für zukünftige waldbauliche Tätigkeiten von immenser Bedeutung. Aus den soeben genannten Gründen ist deswegen notwendig, folgende Feststellung zu treffen:

Es muß eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen kurzfristiger Symptombehandlung und langfristiger Schadensbehebung bezüglich der Schadenseindämmung der Fichtenblattwespengradation getroffen werden:

Die kurzfristige Symptombehandlung soll innerhalb der nächsten 2 – 3 Jahre die Eindämmung der Gradation, das Vernichten von Vermehrungsherden und die Behandlung befallener Jungwüchse, wie Kulturen und Dickungen, zum Ziel haben.

Die langfristige Schadensbehebung muß allerdings, unter Berücksichtigung aller oben getroffenen Feststellungen, eine Sanierung unserer Wälder innerhalb der nächsten 30 Jahre ins Auge fassen (Umbau in Laubholzmischbestände).

 

Der Schaden

Der Schaden durch den Fraß der Fichtenblattwespe entsteht im oberen Teil der Fichtenkrone. Es entsteht also ein Höhenzuwachsverlust und Volumszuwachsverlust. Verbreitet herrscht die Meinung, daß die seit einigen Jahren anhaltenden Fraßschäden durch P. abietina auf die jüngeren Bestandesklassen beschränkt seien. Dies liegt daran, daß die Schäden in Kulturen und Dickungen nicht weit über Augenhöhe des Betrachters liegen und solche an Baum- oder Althölzern in den meisten Fällen bestenfalls als immissionsbedingte Kronenverlichtungen angesprochen werden. Tatsache aber ist, daß alle Altersklassen durch den Fraß der Kleinen Fichtenblattwespe betroffen sind. Lediglich die Schadensintensität in den verschiedenen Altersklassen variiert.

So reiht WIENER im Flachgau nach abnehmender Schadensintensität:

Dickung – Kultur – Stangenholz – Baumholz – Altholz,

während KURAN im östlichen Alpenvorlandsgebiet (Melk):

Stangenholz – Dickung – Baumholz –Altholz – Kultur

reiht.

Wir können also davon ausgehen, daß ab dem Zeitpunkt des Einsetzens der Gradation fast alle Bäume eines Fichtenbestandes, unabhängig von deren Alter, befallen werden.

Ist ein Bestand befallen, so gilt:

  •  wenig bis kein Höhenwachstum mehr (siehe Grafik Längsquerschnitt)

  • in weiterer Folge ein eklatanter Einbruch im Volumszuwachs und

  • je jünger der Bestand, desto fataler die Auswirkungen.

Nach Untersuchungen von RANNERT, MINELLI und JASSER bewegen sich die Volumszuwachsverluste im Stangenholz zwischen 26 % bis 38 %. Selbst wenn die Schädlingspopulation zusammenbrechen würde, so bleiben noch Jahre hinaus die Zuwächse unter den Sollwerten. (RANNERT und MINELLI 5 – 11 % in der Nachperiode). Außerdem ist durch die verstärkte Zwieselbildung ein Wertminderzuwachs zu erwarten.

Hier kommt jetzt natürlich eine weitere Überlegung ins Spiel: Die Fichte wurde bis jetzt bei uns nur deswegen angebaut, weil sie im Vergleich mit anderen Baumarten schneller mehr Masse erzeugte und billiger in der Pflege war. Durch die von der Kleinen Fichtenblattwespe verursachten Schäden werden jetzt allerdings die Karten neu gemischt. Die angeführten wirtschaftlichen Vorteile werden von ihr zunichte gemacht, die ökologischen Nachteile aber bleiben bestehen (Bodenversauerung, labile Bestandesgefüge, ... usw.). Die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit standortsangepaßter, heimischer Laubbaumarten steigt im Anblick des Fichtenblattwespenschadens enorm (die öko-logische Konkurrenzfähigkeit der heimischen Laubbaumarten steht sowieso außer Zweifel -> Buchenverjüngung in den Beständen). 

 

Die Gegenmaßnahmen

Es gibt eine Menge wissenschaftlicher Untersuchungen über das Entstehen von Fichtenblattwespengradationen.

Vorweg muß deshalb festgestellt werden:

In Österreich bestehen grundsätzlich zwei zu unterscheidende Fichtenblattwespenbefallssituationen:

  • die "klassische Befallssituation in den Tieflagen" und
  • die "untype Befallssituation in Höhenlagen über 700 m Seehöhe" (z.B. Hausruck).

Im Oberen Weilhart liegt eine klassische Befallssituation der Tieflagen vor. Das bedeutet, daß diese Problematik hinlänglich bekannt und längst als eines der forstlichen Standardproblemfelder klassifiziert ist.

Die "untypischenen Befallsgebiete in Höhenlagen über 700 m Seehöhe" sind erst seit ca. 10 - 15 Jahren bekannt.

Während die klassischen Befallsgebiete eindeutig die Fichtenwirtschaft als primären Verursacher haben (und dies in der einschlägigen Fachliteratur auch hinlänglich bewiesen und behandelt ist), sind die Ursachen der untypischen Befallssituationen nicht gänzlich bekannt (man vermutet, daß Immissionen eine bedeutende Rolle spielen).

Da wir nun festgestellt haben, daß die Fichtenwirtschaft sowohl Verursacher als auch Betroffener ist, ist die Lösung des Problems denkbar einfach:

Befallssituationen durch die Kleine Fichtenblattwespe in Tieflagen stellen sich auf den ersten Blick einschichtig dar. Die künstlich begründeten, standortsfremden Fichten(-rein)bestände sind als Verursacher klar identifiziert und somit wird allgemein eine Bestandesumwandlung mit nachfolgender Mischwaldsbegündung als einzige Sanierungsmaßnahme angesehen werden. Bei genauerer Betrachtung der Gesamtproblematik, unter Einbeziehung der Situation der betroffenen Waldbesitzer sowie deren Umfeld, der zukünftigen Entwicklung der Bestände, sowie diverser anderer Faktoren, kann die angesprochene einschichtige Betrachtungsweise aber nicht mehr gehalten werden.

Die bestehende Situation stellt sich in vielen Befallsgebieten aber leider so dar:

TATSACHE IST:

Eine langfristige Sanierung unseres Fichtenblattwespenproblems (und in weiterer Folge auch vieler anderer Problemfelder) kann nur durch eine ökologisch - ökonomisch verantwortungsbewußte Baumartenwahl (für jede Aufforstung ist eine individuelle, standortsangepaßte Baumartenzusammensetzung vorzunehmen) erfolgen; die Fichte als ökonomisch interessante Baumart soll aber auch weiterhin vertreten sein.

Heute wollen wir allerdings über Konzepte sprechen, die uns kurzfristig jene Atempause verschaffen, welche nötig ist, um unsere Wälder wieder stabil und leistungsfähig zu machen.

Um eine Symptombehandlung durchführen zu können, ist es allerdings notwendig, den Faktorenkomplex

  • Fichte
  • Fichtenblattwespe
  • Klima
  • Standort -> Nährstoffversorgung und Anfälligkeit gegen Schädlinge
  • Antagonisten (Räuber) - und
  • Immissionen

ein wenig zu beleuchten. 

 

Klima und Gradation der Fichtenblattwespe

SCHMIED: "Die Temperatur wirkt auf Schlüpfzeitpunkt der Parasiten und Aktivitätsdichte der Laufkäfer. Die Witterung kann als dichteunabhängiger Faktor die Entwicklung und Effizienz der Gegenspieler (Antagonisten) der Kleinen Fichtenblatwespe modifizieren und dadurch kurzfristig auch eine Fichtenblattwespengradation beeinträchtigen. In den meisten Fällen wird aber die Witterungssituation, die für die Hemmung eines Mortalitäsfaktors verantwortlich ist, zugleich einen anderen Sterblichkeitsfaktor fördern."

GEBERT: "Die Bodentemperaturmessungen über mehrere Jahre hinweg ergaben eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Fraßgebieten. Trotz der großen geographischen Entfernung der drei Flächen waren die Temperaturen in der Bodenstreu über das Jahr hinweg fast identisch. Dies bedeutet, daß die Kleine Fichtenblattwespe ganz spezielle mikroklimatische Ansprüche hat."

 

Nährstoffversorgung der Fichte und ihre Anfälligkeit gegen Fichtenblattwespenfraß

SCHATTEINER: "Fichten die nährstoffunter-versorgt sind, sind anfälliger gegen die Kleine Fichtenblattwespe. Die Unterversorgung am Wachtberg ist unter anderem auch deswegen gegeben, weil hier nicht Schlier das Grundgestein bildet, sondern Moränenschotter (setzt viel weniger Nährstoffe durch Verwitterung frei). Am Wachtberg ist die Fichte schon in der dritten Generation, es ist also die Bodendegeneration (Verschlechterung) schon viel weiter fortgeschritten, die Nährstoffversorgung ist somit schlechter und deswegen die kleine Fichtenblattwespe schädlicher."  

Immissionen und Gradation der Fichtenblattwespe

POLLI: "Die stark streuenden N-Werte des BIN (Bioindikatornetz) deuten zwar gewisse Unterschiede zwischen den Gradationstypen an, doch ergeben sie keinen einheitlichen Trend. Ein positiver, wenn auch nicht signifikanter Zusammenhang mit den Gradationstypen läßt sich hingegen bei den aus Vegetationsuntersuchungen gewonnenen N-Werten nach ELLENBERG herauslesen. Diese Ermittlungen konnten auf alle Fälle die schon von KATZENSTEINER beobachtete deutliche Korrelation zwischen Befallsgebieten der P. abietina und den hohen Stickstoffeinträgen bestätigen. Ein weiterer Ansatz besteht darin, daß durch die erhöhten Einwirkungen der Schwefel- und Sticksotffeinträge auch die Aminosäureproduktion in den Nadeln vermehrt wird, die nach SCHOPF (1982) zu einer verbesserten Konstitution und zu einer erhöhten Fertilität der Buschhornblattwespe führt. Die Zusammenhänge zwischen den Gradationstypen und den verschiedenen ökochemischen Parametern aus dem BIN erbrachten folgende Ergebnisse:

Beim Vergleich der einzelnen Elemente mit den Gradationstypen ergaben sich keinerlei regionale Zusammenhänge. Deutlicher wurde der Zusammenhang beim Vergleich einiger Nährelemente - Kombinationen mit den Gradationstypen. SxN, SxNxP".

SCHMIED: "Anscheinend wirken besonders Ammonium aber auch Sulfat toxisch auf die untersuchten Schlupfwespen, wobei das Chlorid nicht vernachlässigt werden sollte und es interessant wäre, dessen Wirkung zu untersuchen. Die Tatsache, daß sich Ammonium auf Parasiten besonders toxisch auswirkt, gewinnt durch die Feststellung, daß vermehrter Stickstoffeintrag Massenvermehrungen von P. abietina fördert, noch zusätzlich an Bedeutung (BERGER 1989, et. Al. 1993). Dies unterstützt die Vermutung mehrerer Autoren, daß Parasiten gegenüber Umweltbelastungen sensibler reagieren als ihre Wirte, bzw. daß manche Verbindungen in bestimmten Konzentrationen auf eine Insektenart fördernd, dagegen negativ auf deren Parasiten, wirken."

 

Bodendynamik, Humusausbildung und Gradation der Fichtenblattwespe

POLLI: "Versauerte Oberböden schaffen günstige Voraussetzungen für die Larven, sich einzuspinnen und zu überwintern, bei gleichzeitigem Zurückdrängen wichtiger Antagonisten."  

Bodenvegetation und Gradation der Fichtenblattwespe

SCHMIED: "Eine geschlossene Bodenvegetation fördert die Antagonistenvielfalt. In der Literatur wird die Bedeutung einer reichen und abwechslungsvollen Bodenvegetation als Nahrungsquelle für Schlupfwespen und Zwischen- und Nebenwirte stets betont. Auch als Rückzugsgebiet bei heißem und trockenem Wetter, wie dies 1992 der Fall war, ist artenreiche Bodenvegetation für Schlupfwespen wichtig, da es dort feuchter und kühler als an vegetationsfreien Stellen ist (SCHWARZ 1989)."

 

Haupfaktoren die eine Fichtenblattwespengradation beinflussen, sind somit (ohne Reihung):

Bodenvegetation - Humus und Streuauflage - Immissionen - Fichte - Nährstoffversorgung - Klima

Klima und Immissionen können von uns leider nicht beeinflußt werden (!), somit bleibt uns nur noch der Weg die Lebensbedingungen für die Fichtenblattwespe zu erschweren, die der Räuber der Fichtenblattwespe zu verbessern und uns Gedanken über die Nährstoffversorgung und die damit verbundene Düngungsproblematik zu machen.

Nährstoffversorgung, Düngung:

SCHATTEINER: "Es gibt keine Untersuchung, die bewiesen hätte, daß die Düngung einen positiven Einfluß auf die geschädigten Flächen hat. Bewiesen ist nur, daß besser nährstoffversorgte Fichten resistenter sind."

SCHWERTFEGER: "Die Düngung mit Stickstoff verschiebt die Eiweiß-Zucker Relation in den Assimilationsorganen zuungunsten des Zuckers, was die Entwicklung blatt- und nadelfressender Insekten beeinträchtigt, weil sie zur Deckung ihres Kohlehydratbedarfs auf ein ausreichendes Zuckerangebot angewiesen sind. Wie hoch die dispositions-ändernde Wirkung einer Düngergabe ist, hängt u.a. stark von der durch die Eigenschaften des Standortes gegebenen natürlichen Versorgung der Pflanze mit dem betreffenden Nährstoff ab. Ein neuer wesentlicher Gedanke kommt hinzu: Auf der weiten Versorgungsskala mit Nährstoffen von sehr schlecht bis sehr gut braucht die Anfälligkeit der Pflanze nicht an deren unterem Ende zu liegen, sondern kann irgendwo zwischen den Extremen liegen. In einem solchen Fall werden zusätzliche Düngergaben auf Pflanzen, die von Natur aus schlecht versorgt sind, anfälligkeitssteigernd und erst auf besser versorgte anfälligkeitsmindernd wirken. Allgemeingültige Empfehlungen für Düngemaßnahmen zu geben, ist deshalb unmöglich."

Humus- und Streuauflage:

SCHATTEINER: "OHNESORGE (1957) untersuchte den Einfluß, den eine Düngung mit Branntkalk auf P. abietina ausübt. Die Erwartung, daß durch Kalkung die Bodenstreu zuungunsten des Schädlings verändert und in Verbindung mit einer starken Durchforstung eine stärkere Begrünung erzielt wird, blieb aus. OHNESORGE kann aus diesem Ergebnis allerdings keinen kausalen Zusammenhang zwischen Kalkung und Populationsrückgang nachweisen, er liegt aber durchaus im Bereich des Möglichen."

Bodenvegetation:

SCHMIED: "Zur kurzfristigen Symptombekämpfung wären Vorlichtungsmaßnahmen zum Aufbau geschlossener Bodenvegetation, welche wiederum die Antagonistenvielfalt fördern würde, und zum Abbau der rohhumusartigen Nadelstreuauflagen empfehlenswert."

 

Mögliche Sanierungsmaßnahmen - die Darstellung der Vorgangsweise 

Folgende drei Bedingungen sollen durch gesetzte Maßnahmen erfüllt werden:

  • der Befall darf sich nicht weiter ausbreiten (die in Frage kommende weitere potentielle
    Gefährdungsfläche liegt in Hauptwindrichtung)
  • die Befallsintensität darf nicht weiter ansteigen
  • die Gradation der Kleinen Fichtenblattwespe muß zum Erliegen kommen

Dies soll durch eine kombinierte forstschutztechnische und waldbauliche Behandlung erreicht werden.

Grundlage für diese Behandlung muß ein Behandlungskonzept sein, welches für jeden einzelnen Bestand einen Maßnahmenkatalog festschreibt. Um diesen Maßnahmenkatalog erstellen zu können, sind folgende Teilschritte durchzuführen:

  • 1. Schritt: Schadenskartierung und Bestandestaxation mit Standortskartierung.
  • 2. Schritt: Identifizierung der Vermehrungsherde.
  • 3. Schritt: Festlegen des potentiellen Gefährdungsbereiches zukünftigen Befalles und Ausarbeiten der potentiellen Neubefallsgebiete bei weiter anhaltender und sich ausbreitender Gradation.
  • 4. Schritt: Erstellen des Maßnahmenkataloges für jeden einzelnen Bestand im Befallsgebiet unter Zuhilfenahme der erhobenen Daten (Standortskartierung, Bestandestaxation, Puppenzählung, ... usw.).
  • 5. Schritt: Qualitätsprüfung der vorgeschlagenen Behandlung nach erfolgter Durchführung sowie begleitende Beobachtung der Gradation und Schadenssituation, um eventuell eine Nachjustierung der vorgeschlagenen Maßnahmen durchführen zu können.

Vorrangiges Ziel ist die Eindämmung der Gradation auf der gesamten befallenen Fläche mittels eines koordinierten, umfassenden, fachlich fundierten Behandlungskonzeptes ohne Berücksichtigung von Eigentumsgrenzen.

Sich auf die Erkenntnisse folgender Aussagen stützend

SCHATTEINER: "Abschließend muß jedoch zur Düngungsdiskusssion bemerkt werden, daß dieser Weg – langfristig gesehen – nicht als der ausschließliche und richtige betrachtet werden darf. Schon NIECHZIOL (1958) bemerkt, daß allein natürliche, daß heißt ökologische und waldbauliche Eingriffe, einen Erfolg auf lange Sicht versprechen. Somit wird man auch auf dem Wachtberg und den übrigen Kalamitätsstandorten des nördlichen Flachgaues nicht an den notwendigen Bestandesumwandlungen vorbeigehen können."

SCHMIED: "Als Maßnahme gegen die Beeinträchtigung bzw. Zerstörung der Fichten durch P. abietina werden grundsätzlich waldbauliche Maßnahmen, insbesondere eine Umgestaltung der monotonen Wälder in artenreiche und standortsgemäße Mischwälder, empfohlen und Reduzierungen der Immissionen gefordert."

SCHWARZ: "Eine Abkehr vom Anbau standortsfremder Fichtenmonokulturen wäre, wie es auch Wiener (1993) vorschlägt, dringendst zu empfehlen. Durch die Umgestaltung der monotonen Wälder in artenreiche Mischwälder würden nicht nur Parasiten, sondern auch Räuber der P. abietina-Larven und -Kokons profitieren."

GEBERT: "Weil biologische Bekämpfungsmaßnahmen nicht wirksam genug und wiederholte chemische Bekämpfungen aus ökologischen Gründen nicht vertretbar sind, bleiben als langfristige Lösung des Problems nur waldbauliche Maßnahmen, nämlich der Umbau der reinen Fichtenbestände in Nadel-Laub-Mischbestände mit hohem Anteil anderer Baumarten als Fichte."

und die Erfahrungen von WIENER (1997) berücksichtigend können folgende Maßnahmen vorgeschlagen werden:

  • Bestockungsgradreduzierung
  • Durchforstung
  • Verjüngung einleiten
  • Abtrieb
  • Bestandesumwandlung
  • Kalkung
  • Ameisen- und Vogelschutz

Alle angeführten Maßnahmen können gleichzeitig oder zeitlich nacheinander eingesetzt werden, wichtig ist nur die vorherige Analyse der vorgefundenen standörtlichen Gegebenheiten, damit auch die gewünschte Wirkung erzielt wird.

Eine Planung und Koordinierung der durchzuführenden Maßnahmen sowohl nach deren Art als auch nach dem Zeitablauf ist dabei von immenser Bedeutung, da nur die Summe aller Einzelmaßnahmen eine entprechende Wirkung erzielen kann!

Eine Erwähnung meiner Arbeit finden Sie hier:
Auswirkungen des Befalls der Kleinen Fichtenblattwespe auf das Wachstum der Fichte (2009), PDF

Literatur

BERGER, R. (1990): Massenauftreten der Kleinen Fichtenblattwespe Pristiphora abietina (christ.) im Hausruck im Zusammenhang mit forstschädlichen Luftverunreinugungen. Dissertation an der BOKU, Wien, 165 S

DONAUBAUER, E. (1994): Die Kleine Fichtenblattwespe (pristiphora abietina) in Salzburg. Schriftliche Mitteilung an die Landesforstdirektion Salzburg, 1 S

KURAN, G. (1994): Entscheidungsgrundlagen für die waldbauliche Behandlung von durch Dauergradation der Kleinen Fichtenblattwespe geschädigten Bestände, Diplomarbeit am Institut für Waldbau, BOKU

JASSER, C. (1984): Zuwachsverluste durch den Befall der Kleinen Fichtenblattwespe in den Beständen des oberösterreichischen Alpenvorlandes, Diplomarbeit am Institut für forstliche Ertragslehre, BOKU

MERKER, E; NIECHZIOL, W. (1957): Die Abhängigkeit der Massenvermehrung der KleinenFichtenblattwespe (Lygaeonematus pini RETZ.) vom Wasserhaushalt des Bodens. Allgemeine Forstzeitschrift Nr. 45, 536 – 530

NETHERER, S. (1997): Erarbeitung eines Bewertungsschlüssels zur Einschätzung der Prädisposition von Standorten bzw. Beständen gegenüber Pristiphora abietina (christ), Diplomarbeit am Institut für Forstentomologie Forstpathologie und Forstschutz, BOKU, Wien

NIECHZIOL, W. (1958): Die Bekämpfung der Kleinen Fichtenblattwespe als forstlicher Dauerschädling auf ökologischem Wege. Allgemeine Forstzeitschrift Nr. 22, S. 317 – 319

NIECHZIOL, W. (1958): Biologisch – ökologische Studien zur Kalamität der Kleinen Fichtenblattwespe im Mooswald bei Freiburg. Dt. Ent. Z. Berlin NF 5, S. 98 – 179

OHNESORGE, B. (1957): Untersuchungen über die Populationsdynamik der Kleinen Fichtenblattwespe, Pristiphora abietina (Christ) (Hym. Tenthr.). 1. Teil Fertilität und Mortalität. Zeitschrift für angewandte Entomologie Band 40, S. 443 - 449

OHNESORGE, B. (1957): Untersuchungen über die Populationsdynamik der Kleinen Fichtenblattwespe, Pristiphora abietina (Christ) (Hym. Tenthr.). Teil 2 Die Fluktuationen. Zeitschrift für angewandte Entomologie Band 49, S. 113 - 163

OHNESORGE, B. und W. Thalenhorst (1966): Untersuchungen über die Populationsdynamik der Kleinen Fichtenblattwespe, Pristiphora abietina (Christ) (Hym. Tenthr.). Teil 3 Die Latenz. Zeitschrift für angewandte Entomologie Band 57, S. 229 – 292

POLLI, M. (1990): Immissionsbelastung und Massenwechsel der Kleinen Fichtenblattwespe (pristiphora abietina) im Gebiet des Hausruck (OÖ), Diplomarbeit am Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz, BOKU, Wien

RANERT, H. und MINELLI, H. (1961): Über Zuwachsverluste an Fichten – verursacht durch mehrjährigen Fraß der Kleinen Fichtenblattwespe – im Kärntner Befallsgebiet Wolschartwald. Allgem. Forstztg. Wien 72, S. 167 – 171

SCHMIED, A. (1994): Untersuchungen der Ursachen für die Antagonisteninsuffizienz* in Dauerschadegebieten der Kleinen Fichtenblattwespe, Pristiphora abietina (christ) (hym., tenthredindieae), Dissertation am Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz, BOKU
*: Antagonisteninsuffizienz=Versagen der Antagonisten(=Räuber, Widersacher) bei der Regulierung der Populationdynamik

SCHATTEINER, G. 1996: Standortskundliche Aspekte zur Epidemologie der Kleinen Fichtenblattwespe pristiphora abietina (christ.) (hym., tenthredinidae), Wien, 109

SCHWARZ, M (1989): Die Parasiten und Räuber (Antagonisten) der Kleinen Fichtenblattwespe, Pristiphora abietina (Christ) im Hausruck (Oberösterreich). Diplomarbeit Zool. Inst. Univ. Salzburg, 143 S.

SCHWERDTFEGER, F. (1981): Die Waldkrankheiten. Verlag Paul Paray, Hamburg und Berlin, 486 S

WIENER, L. (1993): Forstschutz – Behandlungskonzept gegen die Kleine Fichtenbalttwespe. Landesforstdirektion Salzburg, 59 S.

WIENER, L. (1995): Forstschutz – Behandlungskonzept gegen die Kleine Fichtenbalttwespe: Das Projekt Wachtberg. In: Der Förderungsdienst Heft 5/1995 43. Jahrgang, S. 149 - 151



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